Digitale Ökosysteme sind ein Trend, aber auch ein Buzzword – was steckt hinter dem Begriff?
Der Begriff „Digitale Ökosysteme“ ist in den letzten Jahren nahezu allgegenwärtig geworden. Kaum eine Fachkonferenz, Innovationsmesse oder Publikation, bei der das neue Zauberwort nicht benutzt wurde. Doch was versteckt sich hinter diesem Begriff und warum erfährt er eine solch starke Prominenz?
Zuerst muss daher zwischen den verschiedenen Begriffsverständnissen digitaler Ökosysteme unterschieden werden, denn nicht alle sind tatsächlich neu.
Beispiele für Digitale Ökosysteme
Wissens-Ökosystem
Hier ist zuallererst das „Wissens-Ökosystem“ zu nennen – ein meist loser Verbund von Firmen, Forschungsorganisationen oder öffentlichen Einrichtungen. Ein konkretes gemeinsames Produkt steht dabei weniger im Fokus, primär geht es um den Austausch von Wissen und Erfahrungen. Ein solches Knowledge Ökosystem ist nicht neu – es gibt unzählige Beispiele von Start-up Hubs und Firmenclustern, die als solches klassifiziert werden können.
Plattform-Ökosystem
Die meisten Menschen denken jedoch beim Begriff Ökosystem an Plattformen wie Amazon oder Apple. Auch hier spricht man von digitalen Ökosystemen und meint damit alle Personen oder Firmen, die etwas auf diese Plattformen beitragen oder auch von ihnen beziehen – zum Beispiel die App Entwickler oder User des App-Stores. Ein solches Plattform-Ökosystem funktioniert primär über Netzwerkeffekte.
Am Beispiel von App-Stores: Je mehr App Entwickler, desto mehr Nutzen für den Kunden, desto attraktiver für App Entwickler, desto mehr Apps – und so weiter. Die Kernfrage für den Manager ist hier, wie man diesen positiven Wechselkreislauf in Gang bringt und erhält. Auch dieser Trend kam bereits vor rund 20 Jahren mit Plattformen wie dem iTunes Store auf und ist damit alles andere als neu.
Innovations-Ökosystem
Als letztes und tatsächlich neues Konzept kam das Innovations-Ökosystem auf. Die Idee eines Innovation Ökosystems ist sehr einfach. Ziel ist immer ein innovatives Produkt oder Service für den Kunden. Im klassischen Innovationsmanagement würde man ein solches mit den eigenen Kräften oder denen ausgewählter Zulieferer zu realisieren versuchen. Falls jedoch Ressourcen oder Fähigkeiten fehlen, würde man es nicht angehen.
Oder versuchen, sich die fehlenden Fähigkeiten einzukaufen, zum Beispiel über Beratungs-Aktivitäten. Dies führt dazu, dass der Innovationsraum aufgrund der eigenen, begrenzten Fähigkeiten, begrenzt ist oder dass Innovationen aufgrund der hohen Investitionen auch mit hohem Risiko verbunden sind. Hier kommt das Innovations-Ökosystem zum Tragen: Anstatt alle Bausteine der Innovation selber zu entwickeln, involviert man hierfür Partner.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Firmen können neue Geschäftsfelder angehen, die ihnen im Alleingang verschlossen blieben. Und sie können dies tun, ohne immense Investitionen in die Innovation zu tätigen.
Digitale Ökosysteme ändern die Wirtschaft
Was sind die Implikationen für Manager?
Unabhängig von den oben genannten Managementherausforderungen kommen Akademiker wie auch Praktiker immer mehr zum Schluss, dass die Zukunft durch Digitale Ökosysteme geprägt sein wird. Damit muss sich jeder Manager mit Digitalen Ökosystemen auseinandersetzen – entweder, weil man selber eines aufbauen möchte oder, weil dies der Konkurrent tut und somit die eigene Firma mit ihrem klassischen Produkt bedroht. Dies bedeutet auch, dass herkömmliche Denkweisen ganz oder teilweise über den Haufen geworfen werden müssen. Die folgenden Thesen sollen einen ersten Denk-Anstoß in diese Richtung bringen:
These 1: Der Begriff „Branche“ gehört der Vergangenheit an
„Ich komme aus der Versicherungswelt – In welcher Branche arbeiten Sie, Frau Meier?“ Diese Standardfrage eines jeden Networking Events wird der Vergangenheit angehören. In einem Ökosystem kooperieren Firmen verschiedenster Herkunft und kreieren gemeinsam eine überlegene Leistung an den Kunden. Damit orientieren sich Firmen nicht mehr nach Branchen, sondern nach Kundenbedürfnissen.
Die Antwort von Frau Meier für ihren Kollegen wäre daher: „Sehr angenehm. Ich arbeite im Ökosystem Wohnen“
These 2: Der Wettbewerb der Zukunft findet zwischen Ökosystemen statt, nicht zwischen Firmen
Wenn sich digitale Ökosysteme durchsetzen, werden nicht mehr Firmen, sondern Ökosysteme um die Gunst des Kunden kämpfen. Dieser Wettbewerb wird jedoch nicht auf Ebene der Einzelfirma entschieden, da das Ökosystem mehr ist als die Summe der Einzelteile. Stattdessen werden Ökosysteme gegeneinander konkurrieren und zum Beispiel der Versuch gestartet werden, die kleinste oder schwächste Firma aus einem anderen Ökosystem herauszukaufen.
Aufgrund der engen Verbindung aller Partner wird das Ökosystem damit geschädigt oder gar zerstört. Jedes (Innovation) Ökosystem ist daher nur so stark, wie der schwächste Partner.
These 3: Kleine Firmen und Start-ups werden auf Augenhöhe mit Großunternehmen konkurrieren
Ein Vorteil von großen gegenüber kleinen und mittleren Unternehmen sind Skaleneffekte sowie die überlegene Ressourcenbasis. In einem Ökosystem können mehrere Spezialisten kooperieren, die jeweils in ihrem Feld hervorragende Ressourcen und hohe Stückzahlen erreichen.
Mehrere eng vernetzte und effizient orchestrierte Spezialisten können daher gemeinsam die oben genannten Stärken eines Großunternehmens erreichen oder sogar übertreffen. Anders als letztere sind kleine Firmen jedoch flexibler und agiler und können sich besser an ihre Ökosystem-Partner anpassen – ein entscheidender Vorteil gegenüber Großunternehmen mit ihren harten Strukturen und langen Hierarchieebenen.
These 4: Start-ups als Orchestratoren profitieren besonders durch Business-Ökosysteme – die Überlebensrate von Start-ups könnte sich stark erhöhen
Start-ups zeichnen sich bekanntermaßen durch Knappheit von Ressourcen aus und müssen sich ihre ersten Kunden hart erkämpfen. Dank der Ökosystem-Partner können sie einen schnelleren Zugang zu diesen Ressourcen gewinnen und sparen sich ggf. sonst nötige Investitionsrunden.
Gleichzeitig reduziert sich das Risiko für Start-ups: Da die Partner vom Orchestrator besonders stark abhängig sind, würden sie ggf. das Start-up finanziell stützen, um ein Zusammenbrechen des Ökosystems zu verhindern.
These 5: Die Funktion des Business Ökosystem Managers entsteht als neuer Funktionalbereich
Ökosysteme liegen an der Schnittstelle mehrerer traditioneller Funktionalbereiche, wie Vertrieb, Business Development, Strategie und Innovation und umfassen Teile dieser Bereiche und substituieren sie mitunter sogar (z. B. Vertrieb von Produkten über Ökosystem-Partner und nicht über den eigenen Vertrieb).
Ökosystem Manager haben daher eine Schnittstellenposition. Mit zunehmender Wichtigkeit von Ökosystemen wird daher immer mehr die Funktion des Ökosystem Managers aufkommen.
These 6: Die Firmenkultur wird ein starker Wettbewerbsvorteil
Ökosysteme ermöglichen Firmen, in neue Geschäftsbereiche vorzustoßen und neue Lösungen jenseits der eigenen Firmengrenzen zu realisieren.
Was aufregend klingt, jedoch für die Mitarbeiter der Firmen starke Änderungen mit sich bringt: Wenn zum Beispiel eine Bank nicht mehr nur Girokonten und Hypotheken verkauft, sondern übergreifende Lösungen im Bereich Wohnen, erweitert sich das Jobprofil der Kundenberater enorm. Dies erfordert Weiterbildung.
Und es wird bei vielen Kundenberatern eine Abwehrhaltung erzeugt, da nicht jeder über eine Änderung des Jobprofils glücklich sein dürfte. Dies und die sich verändernde Identität der Firma wird massive kulturelle Hürden erzeugen, denen ein Ökosystem Manager mangels (organisations-) psychologischer Kenntnisse kaum gewachsen sein dürfte. Die gute Begleitung eines Ökosystem Projektes durch einen Change Manager wird daher essenziell werden. Und Firmen mit bereits vorhandener Änderungsbereitschaft werden profitieren.
These 7: Digitale Ökosysteme benötigen Top Management Unterstützung
Die Änderung der Firmenkultur und die Bereitstellung der nötigen Ressourcen, um die Koordination des Ökosystems zu realisieren, ist ohne Top Management Unterstützung kaum möglich. Gleichzeitig sind alle Partner voneinander abhängig – hat jemand Schwierigkeiten, Ressourcen und schnelle Entscheidungen zu erhalten, werden dies die Anderen merken und ihr Commitment ebenfalls reduzieren.
Es muss eine Ökosystem Strategie bestehen, die konsistent mit der Firmenstrategie ist. Und vor allem: Der Start eines Ökosystems ist immer die Innovation oder das Produkt.
Jochen Maier, Geschäftsführer summ-it Digitalberatung

Auf dieser Basis kann ein grober Business Case oder mindestens eine Vision über den Nutzen des Ökosystems erzeugt werden. Und dies ist eine entscheidende Grundlage, um das eigene Management und die Partner zu überzeugen. Erfolgreiche Ökosysteme starten daher nie mit den Partnern, sondern immer bei der Value Proposition und der Business Vision!
Portfolio
News & Use Cases
- E-Mail-Marketing Automatisierung mit HubSpot 19. April 2022
- WordPress HubSpot Integration 13. April 2022
- Sicherer Datenaustausch 8. Februar 2022
Digitalisierung & Digitale Transformation
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Digitalisierung mit summ-it:
Impuls Vortrag, Digital Innovation Workshop, Digital Strategie Workshop, Strategie und Prozesse, Digital Marketing, Digitaler Vertrieb, Customer Communication Management, Technologie, Business Applikationen
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